Ausstellungen 2013 | Florian Fausch – „Sollbruchstelle“

Architekturen – Stadtbilder

Florian Fauschs Malerei entwickelt sich zyklisch. Nach fast abstrakten Phasen entstehen seit etwa 2008 Architekturbilder.

Stadt ist Thema, aber der Maler ist kein Städter. Florian Fausch ist in der Schweiz eher ländlich aufgewachsen und seine Augen sind unvoreingenommen geschärft für den Blick auf das Phänomen Stadt, das er aus dem direkten Erleben einer pulsierenden Stadt wie Düsseldorf entwickelt. Sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie hat ihn hierher geführt und nach dem „Meisterschüler“ den ihm Prof. Siegfried Anzinger 2007 verlieh und dem Akademiebrief 2008 ist er am Rhein geblieben. Anonymität, Flüchtigkeit und die Stadtlandschaft als vollkommen künstlich gestalteter Raum, die den Menschen als gebautes Volumen umgibt, ist Thema seiner aktuellen Arbeiten.

Zusätzlich werden von Florian Fausch Zeitungen und Journalen systematisch nach verwertbaren Fotos, also ästhetisch bereits vorselektiertem und bearbeitetem Bildmaterial, durchkämmt. Diese Vorlagen werden zitathaft, nur in Ausschnitten eingesetzt, erfahren aber im Akt der malerischen Umsetzung eine radikale Veränderung bis zur Unkenntlichkeit.

Kennzeichnend für Florian Fauschs Bilder sind menschenleere Räume, die dem Betrachter zwar eine Position außen vor dem Bild zuweisen, ihn aber gleichzeitig sogartig ins Bild ziehen – so als existiere eine geheime Verbindung zwischen Realraum und Bildraum. Dieser ambivalente Eindruck ergibt sich aus dem Zusammenspiel einer perspektivischen Grobstruktur und deren schrittweisen malerischen Verunklärung:

Fast immer sind es die Diagonalen, die das Bild maßgeblich bestimmen und zielen auf einen aus dem Zentrum gerückten Fluchtpunkt auf der Horizontlinie. So ergibt sich eine asymmetrische Akzentsetzung, die größtmögliche Weite und Tiefe suggeriert, da sich die Linien maximal über die Bildebene entfalten können. Oft sind hart konturierte Linien ins Bild eingebracht oder Farbflächen prallen aufeinander und legen imaginäre Grenzlinien offen.

Dennoch entsteht dadurch keine räumliche Klarheit im Bild, sondern architektonische Innen- und Außenräume werden so miteinander verklammert, dass sie vexierartig austauschbar sind. Was eben noch hinten war, springt plötzlich nach vorn – und anders herum.

Obwohl die Bilder menschenleer sind, vermittelt sich menschliche Anwesenheit im Bild über die eigene Erfahrung des Betrachters in Form der Wahrnehmung in Bewegung. Der unruhige, unstete Blick, der dem städtischen Wanderer eigen ist, der sich beim Durchqueren der Stadt zu orientieren versucht und nach temporären Markierungspunkten Ausschau hält, findet hier seinen Ausdruck. Das kurze Fokussieren wechselt Schritt für Schritt mit dem Zustand, etwas aus dem Blick gleiten zu lassen. Das zeitlich Versetze ist hier als Gleichzeitigkeit, als Vielzahl von Blicken eingemalt, und ist in der offenkundigen Lebendigkeit der Bilder spürbar. Es sind keine sterilen Veduten, sondern Florian Fauschs Bilder sind kompakte, dynamische „Stadtansichten“, die sich aus einer Vielzahl von Verweilmomenten und „Kameraschwenks“ labyrinthisch zusammenpuzzeln. Nicht von Ungefähr lassen sich auf die Arbeiten von Florian Fausch Termini aus dem Film anwenden, besonders das Genre des Science Fiction, aber auch digitale Szenarien aus animierten Computerspielen, sind ihm bestens vertraut. So knüpft der Maler auch an dort geläufige Raum-Metaphern an, bei denen Brüche und Sprünge offen legen, dass die Bindung an die Zeit die isotrope Raumvorstellung zwangsläufig relativiert. So fasst der Betrachter in seinen Bildern nicht verlässlich Fuß, denn der schollenartig aufgesprengte Grund, zwischen dem unverhofft Abgründe klaffen, lässt symbolisch das Gehen zum Abenteuer werden.

Florian Fauschs Malerei ist sehr komplex, indem Divergierendes formal zur Einheit gebracht wird. Farbe übernimmt dabei die Doppelrolle als illusionistisches Mittel und als von der mimetischen Aufgabe entbundenes Material. Bisweilen erscheint die Bildfläche für Florian Fausch Experimentierfeld der verschiedenen Arten vom Gegenstand losgelöster Farbverwendung gemäß den Spielarten der jüngeren Kunstgeschichte. Farbe wird mal sehr flüssig auf die Leinwand gegeben und durch das Bewegen der Bildtafel zum Fließen gebracht. Farbtränen und Schlieren erobern die Fläche. Neben transparenten Lasuren ragen dicke, pastos aufgetragene Farbklaster aus der Fläche auf.

Feine Übergänge wechseln sich ab mit rigide durch Abklebungen erzwungenen messerscharfen Konturen. Fläche trifft auf Raumhaltiges, kleinteilige Detailverliebtheit auf generöse Leere. Was auf den ersten Blick als freies Spiel mit den Möglichkeiten der Farbe anmutet, ist stets in das geometrische Gerüst der zersplitternden Perspektive eingebunden. Sogar mehr: erst aus der Farbe generiert sich die labile Ordnung.

Einendes Mittel ist die dabei eine bewusst übersteigertes, fast grelles, aber niemals buntes Kolorit, das Florian Fausch partiell mit Weiß bricht. Der Maler

arbeitet mit starken Warm-Kalt-Kontrasten, sowie extremen Farbintensitäten, die er unvermittelt aufeinander prallen lässt. Die sich daraus ergebende lichtenergetische Dynamik – Farben drängen je nach Nachbarschaft nach vorn oder flüchten nach hinten – steigert er noch durch eine gezielte Setzung von Lichtern und Reflexen in Weiß, die wie Irrlichter scheinbar vor der Bildfläche schweben. Ergebnis ist ein eigentümliches Flirren der Bilder, also ob man in einen bunt geschliffenen Edelstein schaue. Licht spielt also durchaus eine Rolle, aber es ist kein Licht, das reale Verhältnisse spiegelt, sondern mehr ein Leuchten einzelner Partien des Bildes aus sich selbst heraus. Reflexe vervielfältigen sich durch Spiegelungen, Ursprung und Wirkung werden verwischt, wenn sich etwa der bunte Widerhall einer Neonreklame auf dem nassen Pflaster zeigt. Das ist es, was Florian Fausch zum Titel „raytraces“ – Strahlenspuren – Strahlenverfolgungen- einem Terminus aus der 3D Computergraphik bewogen hat.

Bei Florian Fausch verschmelzen Aspekte der individuellen Erfahrung im städtischen Kontext mit Referenzen auf mediale Ästhetik und digitale Welten. Scheinbar Unvereinbares findet in der malerischen Balance seiner Bilder einen temporären Ausdruck für das fragmentarische und zitathafte Lebensgefühl einer jungen Künstlergeneration, das nicht mehr durch das Postulat einer widerspruchlosen Verortung einlösbar ist.

©Jutta Saum, April 2010