Preview Martin Stommel On Deliverance mit einem Text von Friedhelm Häring
Stommels jüngste Gemälde unternehmen den Versuch, in der Unruhe der Welt und im Ringen des eigenen Lebens eine sinnstiftende Position zu finden.
Die feine farbige Ausdruckskraft, das expressive Formenvokabular, die Lesbarkeit in der Bewegungsfülle zu einer eindeutigen Personenregie szenischer Qualität, das zeichnet Martin Stommels Bilder aus, macht sie in jeder Weise erkennbar und
lenkt unsere Gedanken in eine selbstständige Richtung.
Jedes Kunstwerk stellt die entscheidende Frage: Wer bist du?
Wir kommen uneins auf die Welt. Wir sind ganz Materie und ganz Geist, Knochen und Seele. Diese Pole finden nur schwer zusammen. Das Kunstwerk ist immer eine Außenposition zur Klärung des eigenen Standpunktes. Wie etwas wird, wie etwas war, entzieht sich meist klarer Beurteilung. Stommels Bilder sind der anregende, aufregende Standpunkt außerhalb unseres Selbst, der uns ermutigen will, wahr zu sein. Das ist ihre mitmenschliche Qualität.
Mir scheint, dass Stommel in seinen Bildern die Höhe der schöpferischen Trias des Kunstphilosophen Konrad Fiedler (1841-1895), des Malers Hans von Marées (1837-1887) und des Bildhauers Adolf von Hildebrand (1847-1921) neu belebt und mit Gegenwart anreichert. In Ihren Werken und den künstlerischen Theorien haben die drei darum gerungen, wie man Raum und Zeit im Kunstwerk
formuliert, ohne im Realismus zu verflachen und in einer Aktualität zu ersticken, sondern über die Zeiten Gültiges zu sagen. Dabei bemühten sie sich, eine Raumzone zu schaffen und zu formulieren, in der das Ereignis darstellbar ist, das Drama des Lebens, als gültiges Zeichen festgehalten im Anker des Kunstwerkes, in den innegehaltenen Zwischenräumen der Zeit. Martin Stommel ist das
gelungen.
Die brillante künstlerische Ausbildung bei dem Dissidenten Boris Birger (1923- 2001) prägte Stommel. Der Künstler besitzt eine bemerkenswerte kulturhistorische Bildung. Dies alles führt zu seinem außergewöhnlichen persönlichen Stil, in dem sich tradierte Bildwelten und reale Seherlebnisse in seiner dynamischen Bildniederschrift verbinden, deren expressive Haltung
unmittelbar zum Betrachter spricht, zum erkenntnisstiftenden Bilderlebnis wird.
Das liegt an den inspirierenden Bildlösungen, an der Zurückhaltung bei der Farbenwahl, der Klarheit der künstlerischen Sprache.
Max Beckmann (1884-1950) wurde als einer der anregenden Ahnherren dieser unmittelbaren Sprache in
einem früheren Aufsatz erwähnt, ebenso der Formerfinder in der Malerei schlechthin, Jacopo Tintoretto (1518-1594).
All die erwähnten Anreger, Vorbilder sind nur die gedanklichen Assoziationen, die durch die lebendige Kraft, das Engagement, die liebevollen Werke des Künstlers auf die Unruhe der Welt eine tragfähige Antwort im aktuellen Heute haben.
In seinen Bildern steckt immer etwas Wehmut. Jedes Gleichnis weiß, dass wir nichts festhalten können. Das Kunstwerk trägt uns über die Schmerzen der Welt. Friedhelm Häring (Kunsthistoriker / 1978 bis 2012 Direktor des Oberhessischen Museums Gießen)
Martin Stommel wurde 1969 geboren und erhielt von 1993 bis 2001 durch den russischen Maler und Dissidenten Boris Birger seine erste künstlerische Ausbildung. Birger lehrte Stommel die Darstellung des Menschen, speziell auch die Porträtmalerei, das Arbeiten nach der Natur und die Landschaftsmalerei. Im Atelier des Meisters begegnete er schon in diesen jungen Jahren herausragenden Vertretern aus Kunst und Kultur, dem Schriftsteller Lew Kopelew, der Cellistin Natalia Gutman, dem damaligen Intendaten Fritz Pleitgen und einigen Malerkollegen, die sich in einer Atmosphäre lebendiger Kritik bewegten.
Von 1994 – 1997 studierte Stommel zunächst an der staatlichen Kunstakademie in München bei Prof. Bernhard Weißhaar. 1998 wechselte er an die HdK Berlin zu Klaus Fußmann.
Im Jahr 2000 wurde Stommel in London vom bedeutendsten Kunsttheoretiker des 20. Jahrhunderts, Sir Ernst Gombrich empfangen, der den damals etwa 30jährigen Künstler in seiner Neigung zur figurativen Arbeit bestärkte. Es schloß sich in diesen letzten Lebensjahren Gombrichs ein Briefwechsel an, in welchem der Gelehrte den Maler als einen „Meister von Licht und Schatten“ lobte.
In den Jahren 2001 bis etwa 2007 entdeckte Stommel die Welt des Zirkus für sich, schuf Bilder von Zirkusartisten und Szenen in der Manege. Er porträtierte die berühmtesten Clowns unserer Zeit, wie Oleg Popov, Francesco Caroli, David Larible und Fumagalli und arbeitete besonders mit Bernhard Pauls Circus Roncalli zusammen.
Im Jahr 2004 wurde Stommel von Prince Rainier III zur Ausstellung seiner Zirkusbilder in Monaco eingeladen. Als der berühmte Wiener Surrealist Ernst Fuchs diese Ausstellung in Monaco besuchte, ergab sich daraus ein über lange Zeit anhaltender Kontakt und Austausch. Ebenfalls in dieser Zeit entstand eine enge Bindung zu der Sammlerin und Galeristin Charlotte Zander, die 1967 zu den Mitbegründern der ArtCologne gehört hatte. Zander zeigte Stommels Arbeiten 2003 im Schloß Bönnigheim und förderte den Maler bis zu ihrem Tod 2014.
Zu Beginn der 2000er Jahre prägte sich Stommels thematische und stilistische Orientierung besonders durch die langjährige Arbeit an Illustrationen zu Dante aus. Er befasste sich mit barocken und manieristischen Sujets und entwickelte eine dynamische Alla-Prima-Technik. Im Inhaltlichen wird die Darstellung des Menschen zwischen Mythos und Vision zur eigentlichen Quelle seiner Arbeit.
Seit den 2000er Jahren wurden die Bilder von Martin Stommel in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, u.a. im Lehmbruck Museum, Kallmann Museum, Museum Charlotte Zander, Diözesanmuseum Trier, Stadtmuseum Bonn, in vielen Galerie-Ausstellungen in Frankfurt (Mühlfeld und Stohrer, Conzen, Witzel), München (Dürr), Rottach-Egern (Hyna), Berlin (artfein), Münster (Spiekerhof), Hamburg (Mensch), Salzburg (Neuhauser KM), Lüneburg (Meyer), Unkel (Oltmanns) und Zell a. H. (Arthus). Weitere Ausstellungen fanden statt im Théâtre Princesse Grace (Monaco), im Kopelew-Forum (Köln), in der Katholischen Akademie in Bayern (München) und bei der Biennale von Venedig (European Cultural Center).
Stommels Werke wurden von verschiedenen Galerien auf den deutschen Kunstmessen in Köln, Karlsruhe, Berlin, München, Essen und Lübeck, beim „Salon der Gegenwart“ in Hamburg und auf der London Print Fair in der Royal Academy gezeigt.
Arbeiten von Stommel befinden sich in öffentlichen Sammlungen (u.a. Bundeswirtschaftsminister, ehem. Staatsgästehaus Petersberg, Stadt Wesseling, Stadt Ismaning, Stadt Bonn) und vielen privaten Sammlungen, wie z. B. Grillo (Duisburg), Slifka (New York), Klöcker (Frankfurt), Barthlott (Bonn) und Zander (Bönnigheim).